"Einer der Kollegen oder Kolleginnen ist mal wieder kurzfristig ausgefallen und man ist als examinierte Kraft so gut wie alleine auf Station".
Wer von Ihnen hat auch schon mal eine Überlastungsanzeige geschrieben und abgegeben und hatte dabei auch so ein komisches Gefühl?
Eine Kollegin ist folgendes wegen einer Überlastungsanzeige passiert:
Die Kollegin wurde vertretungsweise auf eine andere Station eingesetzt, die in der Regel mit 2 examinierten Fachkräften im Spätdienst besetzt war.
Mit der Kollegin waren noch 2 Auszubildende mit ihr an diesem Tag auf der Station.
Die Krankenschwester empfand die personelle Situation als unzureichend insbesondere, weil sie noch auf Hilferufe der Nachbarstation reagieren musste, weshalb sie umgehend an ihre Arbeitgeber eine Gefährdungsanzeige gemäß § 16 Arbeitsschutzgesetz verfasste, die auch als Beschwerde nach § 84 Betriebsverfassungsgesetz galt.
Der Arbeitgeber hat ihr sofort eine Abmahnung ausgesprochen!
Das Krankenhaus hielt die Gefährdungsanzeige für unberechtigt und wertete das Verhalten der Krankenschwester daher als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung!
Müssen Sie jetzt auch in so einer Situation mit einer Abmahnung rechnen?
Ein Arbeitgeber darf keine Abmahnung aussprechen, wenn der Arbeitnehmer mittels einer sogenannten Gefährdungsanzeige auf einen Personalmangel aufmerksam macht. Bei der Anzeige einer Gefährdungslage durch einen Arbeitnehmer gilt grundsätzlich ein subjektiver Maßstab.
Das Urteil können Sie hier nachlesen: (LAG Niedersachsen, Urteil vom 12. September 2018 – Az.: 14 Sa 140/18).
Im Einzelnen hat das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung wie folgt begründet:
Ein vorwerfbarer Pflichtverstoß, insbesondere ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB ist nicht gegeben.
Auch wenn die vom Arbeitsrecht gezogene Grenze des bewussten Missbrauchs einer Gefährdungsanzeige oder deren willkürliche Erstattung weiter gezogen würde, wäre es dem Arbeitgeber doch nicht gelungen, darzulegen, dass die Krankenschwester aus sachfremden Erwägungen heraus oder ohne eine im Ansatz verantwortungsvolle Prüfung geradezu leichtfertig eine Gefahr meldete, von der sie annehmen musste, dass eine solche nicht vorlag.
Insbesondere in der mündlichen Verhandlung hat die Krankenschwester emotional ihre Situation und ihre Sorgen dargelegt, denn ohne den Rückhalt einer weiteren examinierten Kraft nur mit zwei Auszubildenden tätig zu werden, haben beim Gericht jeden Zweifel beseitigt, die Krankenschwester könne pflichtwidrig gehandelt haben. Sie hat ausgeführt, warum sie im Rahmen ihrer Verantwortung für die Station die Angebote auf Hilfeleistung von der anderen Station, den Notruf und die Hintergrundbereitschaft als für sie nicht ausreichend erachtete, sodass der Einwand nicht verfängt, der Pflegedienstleiter habe nach ihrer telefonischen Beschwerde die Verantwortung übernommen. Dass sie mit ihrer Anzeige das Ziel verfolgt haben könnte, dem Arbeitgeber zu schaden oder die Anzeige etwa aus allgemeinen beschäftigungspolitischen Zielen heraus abgegeben zu haben, behauptet auch der Arbeitgeber nicht.
Angesichts der Äußerungen der Krankenschwester zu bereits abgeleisteten Diensten ohne eine zweite Fachkraft, die für sie in Ordnung gewesen seien, bestehen hierfür auch keinerlei Anhaltspunkte. Die Erklärung der Krankenschwester ist im Einklang mit ihrem Gesamtvortrag zwanglos auch so zu verstehen, dass sie die Maßnahme gerade nicht als ausreichend ansah, um ihre Sorgen zu beseitigen.
Es reicht nicht aus, dass ein Vorgesetzter „die Verantwortung übernimmt“.
Es ist Leitungskräften unbedingt anzuraten, Mitarbeiter-Beschwerden ernst zu nehmen und in einem Beschwerdemanagement aufzuarbeiten.
Zu Überlastungsanzeigen gibt es im Ganzen nur sehr wenig hilfreicheLiteratur. Ein gutes und kleines Buch gibt es jedoch:
Hier geht die Autorin Martina Weber verständlich auf alle Aspekte ein, ohne das man Jura studiert haben muss, wenn man sich mit dem Thema genauer beschäftigen will.
Genauer bedeutet, dass die Autorin auf Folgende Fragen gut und verständlich eingeht:
Was muss das muss das Krankenhaus oder Pflegeheim tun, um seinen Pflichten nachzukommen und seiner Fürsorgepflicht nachzukommen?
Wie muss die Überlastungsanzeige formuliert sein und was muss sie alles beinhalten und an wen muss ich die Überlastungsanzeige versenden?
Wann muss der Betriebsrat eingeschaltet werden?
Wie muss das Arbeitszeitgesetz eingehalten werden?
Was ist, wenn doch ein Pflegefehler passiert und wer haftet dann?
Also rund um: ein super Buch mit ca. 100 informativen und sehr verständlichen Seiten!
Schreiben Sie mir vertraulich eine Email was Ihnen mit Ihrer Überlastungsanzeige passiert ist unter
Quellen:
Bildernachweis: pixabay.com
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