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AutorenbildSchwester Eva - Pflegeexpertin

Der große Umbruch: Wie die Krankenhausreform die Pflege revolutionieren kann





Die Krankenhausreform in Deutschland, die vom Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angestoßen wurde, hat das Ziel, die stationäre Versorgung von Patienten zu revolutionieren. Die Empfehlungen der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung, die im Dezember 2022 vorgelegt wurden, zielen darauf ab, die Behandlung von Patienten in Krankenhäusern mehr nach medizinischen als nach ökonomischen Kriterien zu gestalten. Bis zum Sommer 2023 sollen die Gespräche in einen Gesetzentwurf münden und dies ist ein straffer Zeitplan und die Änderungen werden schnell kommen, denn Ende 2023 soll das Gesetz bereits stehen.


Aber was bedeutet das konkret für Pflegefachkräfte?


Eine der wesentlichen Änderungen betrifft die Neuordnung der Krankenhausfinanzierung. Das neue System wird aus zwei Säulen bestehen: einer leistungsunabhängigen Vorhaltefinanzierung und einer mengenabhängigen Komponente. Die Vorhaltefinanzierung soll 40 % der Betriebskosten abdecken, während 60 % über Fallpauschalen abgerechnet werden. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass Krankenhäuser nicht mehr primär nach Fallzahlen, sondern nach der tatsächlichen Versorgungsbedürftigkeit der Bevölkerung finanziert werden. Die Vorhaltefinanzierung soll zudem an die Versorgungsstufe einer Klinik und an die verschiedenen Leistungsgruppen gekoppelt sein. Dies soll dazu beitragen, dass die Bedarfe der Patienten und nicht die ökonomischen Interessen im Vordergrund stehen.


Ein weiterer wichtiger Aspekt der Reform betrifft die Einteilung der Krankenhäuser in drei Levels: Grundversorgung, Regel- und Schwerpunktversorgung sowie Maximalversorgung. Jedes Level soll einheitliche Mindestvoraussetzungen für die apparative, räumliche und personelle Ausstattung haben. Dadurch soll gewährleistet werden, dass jeder Patient unabhängig von seinem Wohnort eine qualitativ hochwertige Versorgung erhält. Die Krankenhäuser des Levels I sollen dabei eine besondere Rolle spielen. Sie müssen flächendeckend eine wohnortnahe Versorgung garantieren und sollten daher unterteilt werden in Krankenhäuser, die Notfallversorgung sicherstellen, und solche, die integrierte ambulante/stationäre Versorgung anbieten. Letztere sollen sektorenübergreifend regional geplant und vollständig aus dem DRG-System herausgenommen werden. Sie sollen über Tagespauschalen vergütet werden und unter pflegerischer Leitung stehen können.





Einteilung nach Level (Versorgungsstufen)


Level Ii - Grundversorgung mit integrierter ambulant/stationärer Versorgung

  • Das Krankenhaus hält mindestens die Fachabteilung Chirurgie und/oder Innere Medizin vor.

  • Es besteht keine Verpflichtung zur Beteiligung an der Notfallversorgung.

  • Die Anwesenheit des ärztlichen Dienstes ist zwingend nur im Tagdienst zu gewährleisten.

  • Die Einrichtung kann pflegerisch geleitet werden.

  • Die Abrechnung ärztlicher Leistungen kann durch niedergelassene Ärzte über den EBM erfolgen.

  • Die Vergütung des stationären Aufenthalts erfolgt ausschließlich über degressive Tagespauschalen.

Level In – Grundversorgung mit Notfallstufe I


Das Krankenhaus hält mindestens die Fachabteilungen Innere Medizin und Chirurgie mit einer ärztlichen 24/7-Präsenz und einer Notfallversorgung entsprechend der GBA-Definition Stufe I vor.

  • Aus der Notfallstufe I resultiert über die Anforderungen hinaus: Fachärztliche Rufdienste müssen innerhalb von 30 Minuten vor Ort sein.

  • Es müssen mindestens sechs Betten auf einer Intensivstation vorgehalten werden.

  • Es muss eine telemedizinische Anbindung an Krankenhäuser der Level II oder III bestehen.

  • Labor, Röntgen und CT sind obligatorisch vorzuhalten.

  • Die Finanzierung erfolgt über Vorhaltepauschalen entsprechend den im Portfolio zugeordneten Leistungsgruppen und eine ergänzende Einzelleistungsvergütung nach den DRGs, die in den zugeordneten Leistungsgruppen entsprechend der Kodierung mittels OPS und ICD zulässig sind.


Level II – Regel- und Schwerpunktversorgung mit Notfallstufe II

  • Mindestens drei internistische und drei chirurgische Leistungsgruppen müssen mit allen Anforderungen abgedeckt sein.

  • Zudem sind mindestens zwei Leistungsgruppen aus den Bereichen Neurochirurgie, Unfallchirurgie, Orthopädie, Neurologie, Kardiologie, Gastroenterologie und obligatorisch zwei Fächer aus den Bereichen Pneumologie, Pädiatrie, Kinderkardiologie, Neonatologie, Kinderchirurgie, Gefäßchirurgie, Urologie, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Augenheilkunde, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Hämatoonkologie abzudecken.

  • Eine Fachabteilung Gynäkologie und Geburtshilfe sowie eine Stroke Unit sind vorzuhalten.

  • 20 Intensiv- und Überwachungsbetten mit speziellen Anforderungen müssen zur Verfügung gestellt werden.

  • Die Notfallversorgung muss entsprechend der Notfallstufe II der GBA-Richtlinie erfolgen. Daraus resultieren über die stufeninhärenten Anforderungen hinaus eine gastroenterologische interventionelle Rufbereitschaft 24/7, die Möglichkeit zur Koronarangiografie 24/7 sowie eine Aufnahmestation mit mindestens sechs Betten in unmittelbarer Nähe der Notaufnahme.

  • Neben den Strukturanforderungen der Stufe I sind obligatorisch ein MRT, eine Angiografie, eine Endoskopie und, falls das nächste Versorgungskrankenhaus der Stufe III mehr als 30 km entfernt liegt, ein Hubschrauberlandeplatz vorzuhalten.

  • Es muss eine telemedizinische Anbindung an Krankenhäuser des Levels III bestehen.

  • Die Finanzierung erfolgt analog zu Level In.

Level III – Maximalversorgung mit Notfallstufe III


  • In Ergänzung der Vorgaben des Levels II müssen mindestens fünf internistische Leistungsgruppen einschließlich Kardiologie und fünf chirurgische Leistungsgruppen belegt sein.

  • Es müssen aus mindestens acht der folgenden zwölf Leistungsbereiche Leistungsgruppen vorgehalten werden: Thoraxchirurgie, Palliativmedizin, Geriatrie, Urologie, Neurologie, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Dermatologie, Augenheilkunde, Pädiatrie, Gynäkologie/Geburtshilfe, Neurochirurgie.

  • Im Bereich Intensiv- und Überwachungsstation sind insgesamt 40 Betten vorzuhalten.

  • Die Notfallversorgung muss entsprechend der Notfallstufe III der GBA-Richtlinie erfolgen. Ein Hubschrauberlandeplatz ist obligatorisch.

  • Es muss eine telemedizinische Anbindung an Krankenhäuser der Level I und II bestehen.

  • Für ausgewählte Leistungsgruppen ist die Teilnahme an Studien und die Vorhaltung einer entsprechenden Infrastruktur verpflichtend.

  • Die Finanzierung erfolgt analog zu den Leveln In und II. Die hier exklusiv zugeordneten spezialisierteren Leistungsgruppen haben jedoch regelhaft einen höheren Anteil an der Gesamtfinanzierung als in den Leveln In und II.

Level IIIU – Maximalversorgung (Universitätsmedizin) mit Notfallstufe III

  • Über die Anforderungen des Levels III (nicht universitär) hinaus sollten hier möglichst alle medizinischen Fächer repräsentiert sein und die Weiterentwicklung der Fächer soll explizit gefördert werden.

  • Den Krankenhäusern soll eine führende Rolle bei der Versorgung, der Koordination der Versorgung und bei medizinischen Innovationen zukommen. Die Finanzierung erfolgt analog zu Level III (nicht universitär).


Die Bedeutung der fallbezogenen Prüfungen des Medizinischen Dienstes könnte zukünftig von juristischen Auseinandersetzungen wegen der Kürzung der Vorhaltepauschalen bei etwaigen Abweichungen von den Strukturvorgaben abgelöst werden. Durch die Einteilung der Krankenhäuser in Levels soll gewährleistet werden, dass die Versorgung der Patienten bedarfsgerechter und qualitativ hochwertiger erfolgt. Die Tatsache, dass Krankenhäuser des Levels I i sektorenübergreifend regional geplant werden und unter pflegerischer Leitung stehen können, bietet zudem die Möglichkeit, die Rolle der Pflegefachkräfte in der stationären Versorgung zu stärken. Hierbei könnten insbesondere die Tagespauschalen als Vergütungsmodell dazu beitragen, dass die Versorgung der Patienten stärker auf ihre individuellen Bedürfnisse ausgerichtet wird.





Pflegefachkräfte spielen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Krankenhausreform. Sie sind in der direkten Versorgung der Patienten tätig und haben somit einen unmittelbaren Einfluss auf die Qualität der Versorgung. Durch die stärkere Rolle der Pflegefachkräfte in der stationären Versorgung können auch die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern verbessert werden.


Die Einteilung der Krankenhäuser in Levels ermöglicht zudem eine klare Aufgabenverteilung und eine bessere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Versorgungsstufen. Dadurch können Pflegefachkräfte besser planen und ihre Arbeitsabläufe optimieren.


Es ist jedoch wichtig, dass die Pflegefachkräfte in den Prozess der Krankenhausreform aktiv eingebunden werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Bedürfnisse der Patienten und der Pflegefachkräfte gleichermaßen berücksichtigt werden. Auch die Aus- und Weiterbildung der Pflegefachkräfte muss an die neuen Anforderungen der Krankenhausreform angepasst werden.


Insgesamt bietet die Krankenhausreform in Deutschland also eine große Chance für Pflegefachkräfte, die Versorgung der Patienten bedarfsgerechter und qualitativ hochwertiger zu gestalten und ihre Rolle in der stationären Versorgung zu stärken.


Die neue Krankenhausreform zielt also darauf ab, die Qualität der stationären Versorgung zu verbessern, indem sie den Fokus von der reinen Profitabilität hin zu medizinischen Kriterien verschiebt.


Doch was bedeutet das für uns Pflegefachkräfte?


Zunächst einmal ist es eine Chance für uns, unsere Arbeit auf eine noch höhere Ebene zu bringen. Durch die Einführung von einheitlichen Mindeststandards für die apparative, räumliche und personelle Ausstattung wird es uns leichter fallen, eine qualitativ hochwertige Pflege zu gewährleisten. Wir werden uns nicht mehr mit veralteter Technik oder unzureichenden Arbeitsbedingungen herumschlagen müssen, sondern können uns auf unsere eigentliche Aufgabe konzentrieren: die bestmögliche Versorgung unserer Patienten.


Die Trennung in verschiedene Versorgungsstufen wird auch Auswirkungen auf unser Arbeitsumfeld haben. Für Pflegefachkräfte in Grundversorgungskliniken mit ambulant-stationärer Versorgung bedeutet dies, dass wir uns auf eine andere Art von Patienten einstellen müssen. Diese Kliniken werden vor allem für Akutpflegefälle eingesetzt und weniger für langfristige Behandlungen oder komplexe Fälle. Wir werden uns also auf schnelle Diagnostik und schnelle Therapieeinleitung spezialisieren müssen, um den bestmöglichen Erfolg zu erzielen.


Für Pflegefachkräfte in Krankenhäusern der Regel- und Schwerpunktversorgung sowie der Maximalversorgung wird sich wahrscheinlich weniger ändern. Hier werden weiterhin komplexe Fälle behandelt, für die eine umfassende medizinische und pflegerische Betreuung erforderlich ist. Wir werden weiterhin auf eine enge Zusammenarbeit mit Ärzten und anderen Fachkräften angewiesen sein, um die bestmögliche Versorgung unserer Patienten sicherzustellen.


Die Einführung der Tagespauschalen für Krankenhäuser des Levels I i bietet auch eine Chance für Pflegefachkräfte, sich in einer neuen Rolle zu positionieren. Da diese Kliniken unter pflegerischer Leitung stehen können, können wir eine größere Verantwortung übernehmen und uns stärker in die Entscheidungsprozesse einbringen. Wir können uns auf die Organisation der Pflegeabläufe und die Patientenversorgung konzentrieren, ohne uns um wirtschaftliche Aspekte kümmern zu müssen.


Insgesamt bietet die geplante Krankenhausreform eine Chance für Pflegefachkräfte, unsere Arbeit auf eine neue Ebene zu bringen. Die Einführung von einheitlichen Mindeststandards und die Trennung in verschiedene Versorgungsstufen werden es uns erleichtern, eine qualitativ hochwertige Pflege zu gewährleisten. Wir sollten diese Chance nutzen, um unsere Arbeit zu verbessern und einen noch größeren Beitrag zur Gesundheitsversorgung zu leisten. Ob dies letztendlich den Pflegefachkräftemangel beheben wird, bleibt jedoch fraglich.



Also bleibt gesund und munter!


Eure


Schwester Eva




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