Die SIS® - Ein einfache Anleitung für die Pflegedokumentation
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Die SIS® - Ein einfache Anleitung für die Pflegedokumentation






Die strukturierte Informationssammlung (SIS®) stellt weit mehr dar als ein einfaches Dokumentationswerkzeug. Es handelt sich um ein wissenschaftlich fundiertes Konzept, das den Einstieg in den vierphasigen Pflegeprozess revolutioniert. Diese innovative Herangehensweise ermöglicht es Pflegekräften, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: die individuelle Betreuung und Versorgung der Patienten und Bewohner.


In den letzten Jahren hat die Pflegedokumentation enorm an Bedeutung gewonnen, bedingt durch den Grundsatz: „Was nicht dokumentiert ist, ist nicht gemacht!“ Dieser Ansatz spiegelt die wachsende Bedeutung der Dokumentation in der Pflege wider, sei es aus rechtlicher, professioneller oder qualitativer Perspektive. Insbesondere im Hinblick auf Expertenstandards hat sich die Dokumentation als Schlüsselelement für die Professionalisierung der Pflegetätigkeit erwiesen.


Zugleich ist die Dokumentation immer mehr zu einem rechtlichen Maßstab avanciert. Sie dient nicht nur der Qualitätssicherung, sondern auch als Absicherung bei haftungsrechtlichen Ansprüchen, sei es im Falle von Pflegefehlern oder bei Unzufriedenheit von Angehörigen.


Hinzu kommen die Anforderungen externer Prüfinstitutionen, wie zum Beispiel des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), die auch eine lückenlose und transparente Dokumentation voraussetzen.





Doch diese Entwicklung hatte auch ihre Schattenseiten: Ein Berg unübersichtlicher Formulare, Zettel und verschiedenartiger Kurvensysteme – von digital bis hin zu Papierform – hat sich im Laufe der Zeit etabliert. Diese Flut an Dokumentation wurde zunehmend als Bürde wahrgenommen, die wertvolle Zeit beansprucht – Zeit, die dann den Patienten und Bewohnern nicht mehr zur Verfügung steht.


Um dieser Herausforderung zu begegnen, wurde das SIS® eingeführt. Dieses Strukturmodell zielt darauf ab, die fachliche Kompetenz der Pflegenden zu stärken und die Konzentration auf die Patienten und Bewohner zu intensivieren. Es berücksichtigt dabei das pflegewissenschaftliche Fundament und legt einen besonderen Fokus auf die biografischen Aspekte der zu pflegenden Personen. Mit SIS® wird eine klare und übersichtliche Darstellung der pflegerischen Risiken und Ressourcen ermöglicht. Der Pflegebericht konzentriert sich nun auf die Besonderheiten, die nicht routinemäßig abgezeichnet und dokumentiert werden. Dadurch wird die Dokumentation nicht nur effizienter, sondern auch qualitativ wertvoller – ein wesentlicher Schritt hin zu einer patientenzentrierten Pflege.


Fokussierung auf den Pflegeprozess durch die SIS®


Das Ziel der strukturierten Informationssammlung ist es, den Pflegeprozess stärker in den Mittelpunkt zu rücken und eine effiziente, patientenorientierte Pflege zu fördern. Dies geschieht durch eine klare Strukturierung und Vereinfachung der Dokumentation. Die SIS® besteht aus vier wesentlichen Elementen, die zusammenwirken, um eine umfassende, qualitativ hochwertige Pflege zu gewährleisten:


1. Strukturierte Informationssammlung: Dies ist der Kern des Systems und dient der systematischen Erfassung relevanter Patientendaten. Hier werden alle notwendigen Informationen über den Patienten oder Bewohner gesammelt, wie zum Beispiel biografische Daten, aktueller Gesundheitszustand, individuelle Bedürfnisse und Präferenzen. Diese Sammlung bildet die Grundlage für alle weiteren Schritte.


2. Maßnahmenplanung: Basierend auf den gesammelten Informationen werden gezielte Pflegemaßnahmen geplant. Dieser Schritt stellt sicher, dass jede Pflegeaktivität auf die spezifischen Bedürfnisse und Ziele des Patienten zugeschnitten ist. Die Planung umfasst sowohl kurzfristige als auch langfristige Ziele und Maßnahmen.


3. Berichtblatt: Das Berichtblatt dient der laufenden Dokumentation aller durchgeführten Pflegemaßnahmen sowie besonderer Vorkommnisse oder Beobachtungen. Es ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung des Patientenstatus und der Wirksamkeit der Pflegeinterventionen.


4. Evaluation: Dieser letzte Schritt ist entscheidend für die Qualitätssicherung und kontinuierliche Verbesserung der Pflege. Hier wird bewertet, inwieweit die gesetzten Ziele erreicht wurden und wie effektiv die Pflegemaßnahmen waren. Diese Evaluation bietet die Möglichkeit, die Pflegeplanung regelmäßig anzupassen und zu optimieren, um den sich ändernden Bedürfnissen und Umständen der Patienten gerecht zu werden.




Durch die Integration dieser vier Elemente schafft die SIS® eine strukturierte, transparente und effektive Methode, um den Pflegeprozess zu steuern. Sie ermöglicht es Pflegekräften, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: die bedarfsgerechte und individuelle Pflege ihrer Patienten und Bewohner.


Integration und Neuausrichtung der Pflegedokumentation durch SIS®


Ein wesentlicher Aspekt der strukturierten Informationssammlung (SIS®) ist ihre Rolle bei der Umgestaltung bestehender Dokumentationssysteme in der Pflege. SIS® ist nicht lediglich ein weiteres Modul, das in existierende Dokumentationssysteme eingefügt werden kann. Stattdessen erfordert ihre Einführung eine grundlegende Neuausrichtung des gesamten Dokumentationsprozesses im Einklang mit dem Strukturmodell.


Diese Neuausrichtung bedeutet, dass die Pflegedokumentation nicht mehr nur als eine Ansammlung von Formularen und Checklisten angesehen wird. Vielmehr wird sie zu einem dynamischen Prozess, der den Pflegeprozess aktiv unterstützt und reflektiert. Die Implementierung von SIS® erfordert daher eine umfassende Betrachtung und Überarbeitung der bestehenden Praktiken und Abläufe in der Pflegedokumentation.


Ein solcher Paradigmenwechsel hat mehrere Implikationen:


1. Schulung des Personals: Pflegekräfte müssen in der Anwendung von SIS® geschult werden, um die Philosophie und die praktischen Aspekte des Systems vollständig zu verstehen und umsetzen zu können.


2. Anpassung der IT-Systeme: Bestehende IT-Systeme müssen möglicherweise angepasst oder neu entwickelt werden, um die spezifischen Anforderungen von SIS® zu erfüllen und eine nahtlose Integration in den Pflegealltag zu gewährleisten.


3. Veränderungsmanagement: Die Einführung von SIS® stellt eine bedeutende Veränderung in der Arbeitsweise dar. Es ist wichtig, das Pflegepersonal aktiv in den Veränderungsprozess einzubeziehen, um Akzeptanz und erfolgreiche Implementierung zu fördern.


4. Qualitätssicherung und Evaluation: Die Wirksamkeit und Effizienz des neuen Systems müssen regelmäßig überprüft und bewertet werden, um sicherzustellen, dass es den Anforderungen der Pflegepraxis gerecht wird und kontinuierlich verbessert werden kann.


Durch die Implementierung von SIS® wird die Pflegedokumentation nicht nur vereinfacht und effizienter, sondern auch qualitativ verbessert. Sie wird zu einem lebendigen und integralen Bestandteil des Pflegeprozesses, der die individuelle Betreuung und

Versorgung der Patienten und Bewohner in den Mittelpunkt stellt.


Detaillierte Erläuterung der vier Abschnitte der Strukturierten Informationssammlung (SIS®)


Die SIS® ist in vier spezifische Abschnitte gegliedert, die jeweils eine einzigartige Funktion im Pflegeprozess erfüllen:





1. Feld A - Allgemeine Angaben zur Person: Hier werden grundlegende Informationen zur Person erfasst, einschließlich einer Unterschriftsleiste für die Pflegefachkraft, die für die SIS® verantwortlich ist, sowie das Datum der Erhebung. Eine weitere Unterschriftsleiste ist für die pflegebedürftige Person vorgesehen (oder ggf. Angehörige, Betreuer etc.), was die gemeinsame Verständigung über wesentliche Aspekte der Versorgung und Selbstbestimmung symbolisiert. Die Entscheidung über die Einbeziehung dieser Unterschrift liegt jedoch im Ermessen der Pflegeeinrichtung.

2. Feld B - Perspektive der pflegebedürftigen Person: Dieser Abschnitt widmet sich ausschließlich der Sichtweise der pflegebedürftigen Person. Hier werden Angaben zum Unterstützungsbedarf und Äußerungen zum Erhalt der Selbstständigkeit aus ihrer Sicht in narrativer Form festgehalten. Das Zitieren der pflegebedürftigen Person unterstreicht die Bedeutung von Individualität und Wertschätzung. Ihre Perspektive wird im weiteren Gesprächsverlauf in den entsprechenden Themenfeldern konsequent von der Pflegefachkraft berücksichtigt (personzentrierter Ansatz).


3. Feld C1 - Fachliche Einschätzung der Pflegefachkraft: In diesem Abschnitt erfolgt die fachliche Einschätzung der Pflegefachkraft zum Hilfebedarf, zum Selbstständigkeitserhalt und zur Situationseinschätzung hinsichtlich individueller gesundheitlicher Risiken. Dies geschieht im Dialog mit der pflegebedürftigen Person und orientiert sich an den Modulen und Kriterien des Begutachtungsinstruments (BI), wobei SIS® und BI unterschiedliche Zwecke erfüllen (siehe Thesenpapier auf der Homepage von EinSTEP).


4. Feld C2 - Risiko- und Phänomenfeststellung: Dieser Abschnitt dient der Feststellung und Dokumentation von Risiken und Phänomenen durch die Pflegefachkraft. Die Dokumentation erfolgt im Kontext der Themenfelder aus C1 und bezieht sich ggf. auf die Notwendigkeit „weiterer Einschätzungen“ zur abschließenden fachlichen Beurteilung im Hinblick auf konkrete Maßnahmen zur Abwehr von festgestellten gesundheitlichen Risiken.




Das übergeordnete Ziel der entbürokratisierten Pflegedokumentation, wie sie durch SIS® repräsentiert wird, ist die deutliche Reduzierung des Dokumentationsaufwandes in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen sowie Tagespflegen. Zudem wird die pflegefachliche Kompetenz betont und konsequent die Perspektive der pflegebedürftigen Person eingenommen. Dieser Ansatz basiert auf dem vierphasigen Pflegeprozess der WHO.



Qualitätsprüfungen im Rahmen des SGB XI und die Umsetzung des Strukturmodells


Die Qualitätsprüfungen, die im Kontext des Sozialgesetzbuches XI (SGB XI) durchgeführt werden, fokussieren sich darauf, zu bewerten, inwiefern die Pflege- und Betreuungsplanung auf die individuellen Bedürfnisse der pflegebedürftigen Personen abgestimmt ist. Diese Überprüfungen sind besonders relevant, da sie sicherstellen, dass die Pflege nicht nur fachgerecht, sondern auch personenzentriert erfolgt.


Bei der Maßnahmenplanung ist es entscheidend, dass die Informationen knapp und verständlich dargestellt werden. Ziel ist es, dass alle an der Pflege und Betreuung beteiligten Personen die Planung leicht nachvollziehen und sich daran orientieren können. Um ein vollständiges Bild der pflegerischen Versorgungssituation zu erhalten, kann es erforderlich sein, die hinterlegten Verfahrensanweisungen für regelmäßig wiederkehrende Handlungen der körperbezogenen Pflegemaßnahmen und der pflegerischen Betreuungsmaßnahmen einzubeziehen. Diese ermöglichen es den Prüfdiensten, die Konsistenz und Qualität der Pflegeleistungen umfassend zu beurteilen.


Rechtliche Konsequenzen bei fehlerhafter SIS oder mangelhafter Dokumentation


Die korrekte Anwendung der strukturierten Informationssammlung (SIS®) und eine nachvollziehbare Dokumentation sind nicht nur für die Qualität der Pflege entscheidend, sondern haben auch erhebliche rechtliche Implikationen. Fehler in der SIS oder eine unzureichende Dokumentation können zu verschiedenen rechtlichen Konsequenzen führen, die sowohl die Pflegeeinrichtung als auch die einzelnen Pflegekräfte betreffen.


Haftungsrechtliche Folgen: Fehler in der Dokumentation können zu haftungsrechtlichen Ansprüchen führen, insbesondere wenn nachgewiesen wird, dass diese Fehler zu einer Schädigung der pflegebedürftigen Person geführt haben. Dies kann sowohl zivilrechtliche (Schadensersatzansprüche) als auch strafrechtliche Konsequenzen (zum Beispiel bei Fahrlässigkeit) nach sich ziehen.


Haftungsrechtliche Konsequenzen bei Dekubitus infolge unzureichender Pflegedokumentation


Ein Dekubitus, ein durch dauerhaften Druck verursachtes Druckgeschwür, ist ein häufiges Beispiel für Komplikationen in der Pflege, die durch unzureichende Dokumentation und Pflegeplanung entstehen können. Dies illustriert die Bedeutung einer vollständigen und akkuraten Dokumentation in der SIS®.


1. Risikobewertung und Dokumentation in der SIS®: In der SIS® werden das Risiko eines Dekubitus und die relevanten Beobachtungen dokumentiert. Dazu gehört die Einschätzung der Hautintegrität sowie die Dokumentation jeglicher Anzeichen, die auf ein erhöhtes Dekubitusrisiko hindeuten könnten.

2. Fehler in der Dokumentation und ihre Folgen: Wenn das Risiko eines Dekubitus oder die Anzeichen einer Verschlechterung der Hautintegrität nicht korrekt in der SIS® dokumentiert werden, kann dies dazu führen, dass erforderliche präventive Maßnahmen nicht rechtzeitig eingeleitet werden. Eine solche Vernachlässigung kann zu einem Dekubitus führen, was sowohl das Wohlbefinden des Patienten beeinträchtigt als auch rechtliche Konsequenzen für die Pflegefachkräfte und die Einrichtung haben kann. Sehen Sie sich dazu auch diesen Beitrag an: 3 Fehler der SIS!


3. Haftungsrechtliche Folgen: Sollte es infolge einer unzureichenden Dokumentation und daraus resultierender mangelhafter Pflege zu einem Dekubitus kommen, können die verantwortlichen Pflegekräfte und die Pflegeeinrichtung haftbar gemacht werden. Dies kann zivilrechtliche Ansprüche wie Schadensersatzforderungen und strafrechtliche Konsequenzen umfassen, insbesondere wenn Fahrlässigkeit nachgewiesen wird.


4. Wichtigkeit der präventiven Dokumentation: Die korrekte und vollständige Dokumentation in der SIS® ist daher entscheidend, um Risiken wie einen Dekubitus frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Schulungen zur korrekten Nutzung der SIS® und zur Früherkennung von Risikofaktoren sind unerlässlich, um die Qualität der Pflege zu sichern und rechtliche Risiken zu minimieren.


Zusammenfassung und Abschluss


In diesem Artikel haben wir die wesentlichen Aspekte der strukturierten Informationssammlung (SIS®) im Rahmen des Pflegeprozesses sowie die Bedeutung einer korrekten und umfassenden Pflegedokumentation erörtert. Die SIS® ist ein entscheidendes Werkzeug, das hilft, die Pflege auf die individuellen Bedürfnisse der pflegebedürftigen Personen abzustimmen und die Qualität der Pflegeleistungen zu sichern.


Wir haben auch die rechtlichen Konsequenzen einer unzureichenden oder fehlerhaften Dokumentation hervorgehoben, insbesondere am Beispiel des Dekubitusrisikos. Eine sorgfältige Dokumentation in der SIS® ist nicht nur für die Prävention solcher Risiken essentiell, sondern auch um haftungsrechtliche Probleme zu vermeiden, die sowohl für die Pflegefachkräfte als auch für die Pflegeeinrichtungen schwerwiegend sein können.


Die Einführung und korrekte Anwendung der SIS® in der Pflegepraxis erfordert ein Umdenken und eine konsequente Schulung aller Beteiligten. Dies gewährleistet, dass die Pflege nicht nur den gesetzlichen Anforderungen entspricht, sondern auch die Würde und Bedürfnisse der pflegebedürftigen Menschen in den Vordergrund stellt.


Ich hoffe, dieser Artikel hat Ihnen wertvolle Einblicke in die Bedeutung und Anwendung der SIS® gegeben und die Relevanz einer akkuraten Pflegedokumentation verdeutlicht.


Sollten Sie weitere Fragen haben oder Unterstützung benötigen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Im nächsten Blogbeitrag werde ich tiefer in spezifische Themen rund um die Pflegedokumentation eintauchen.


Bleiben Sie dran!


Eure 
Schwester Eva

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