Heute schauen wir uns mal an was ein Risikoassessment in der Pflege ist und wie fülle ich dieses aus?
Erst schauen wir uns mal die Grundlagen an. Anhand eines Fallbeispiels füllen wir eine Braden - Skala aus.
Was ist ein Risiko?
Ein Risiko zu analysieren bedeutet, sich mit einem möglichen Vorfall schon im Voraus auseinander zu setzen. Dieser Vorfall sollte realistisch (soweit uns das möglich ist) bewertet werden. Was kann im schlimmsten Fall passieren? Was würde das für uns oder für unser Unternehmen bedeuten? Wie man strukturiert an eine Risikoanalyse heran geht und durchführt, erläutert dieser Blogbeitrag und zwar umgemünzt auf die Pflege.
Die Argumentation mit Risiken im Geschäftsalltag sollten Sie sich zu nutze machen. Auf die Frage: „Wo sehen Sie an dieser Stelle konkret ein Risiko?“ werden viele Gesprächspartner, die gerade noch aufbrausend getobt haben, schnell etwas leiser oder schweigen gleich.
Ein Risiko strukturiert zu bewerten erfordert doch etwas mehr, als nur seinem Bauchgefühl Luft zu machen.
Welche pflegerischen Risiken kennen wir?
In der Pflege gibt es in Anleitung an die Expertenstandards mehrere Risiken:
Dekubitus
Sturz
Harninkontinenz
Thrombose
Intertrigo
Pneumonie
Mangelernährung
Schmerzen
Exsikkose
Immobiliät
Kontrakturen
Obstipation
chronische Wunden
nur um die häufigsten zu nennen.
Habe ich was vergessen? Fällt Euch noch was ein?
Das Risiko bei Dekubitus:
Das Risiko, einen Dekubitus zu entwickeln, muss zu Beginn des pflegerischen Auftrags erfasst werden. Während des Pflegeprozesses ist die Gefährdung des Betroffenen in individuell festzulegenden Abständen zu ermitteln. Kommt es zu Veränderungen der Mobilität oder der Aktivität sowie zur Einwirkung externer Faktoren, die zur erhöhten oder verlängerten Einwirkung von Druck führen, ist ein individuelles Risikoprofil unverzüglich zu erstellen.
Laut internationaler Leitlinie (EPUAP/NPUAP/PPPIA 2014) soll ein strukturiertes Risikoassessment so schnell wie möglich innerhalb der ersten acht Stunden nach Aufnahme des Patienten erfolgen. Dabei ist ein besonderes Augenmerk auf Personen zu legen, die schon einmal einen Dekubitus hatten oder aktuell aufweisen. Menschen, deren Aktivität und Mobilität aufgrund von akuter Erkrankung oder Multimorbidität herabgesetzt ist, bedürfen ebenfalls einer besonderen Aufmerksamkeit. Gleiches gilt für Menschen mit Durchblutungsstörungen.
Wird das Risiko mit Skalen eingeschätzt?
Norton-, Waterlow- und Braden-Skala sind die TOP 3 zur Erfassung des Dekubitusrisikos. Alle drei sind in Anwendung in der Praxis und werden im Expertenstandard benannt. Eine konkrete Empfehlung fehlt zwar, aber es existieren umfassende Studien zur Anwendbarkeit und zur Validität. Es gibt nicht die eine zu empfehlende Skala, wenngleich die Braden-Skala nach wie vor als allgemein anerkannt gilt.
In der Praxis ist der Kosten-Nutzen-Aspekt von Bedeutung. D. h., die konkreten Bedingungen vor Ort entscheiden über den Einsatz. Denn wenn eine hohe Fachkraftquote
vorliegt und eine geringe Dekubitusentstehungsrate in Verbindung mit differenzierter Pflegeanamnese und –planung ist der Einsatz einer Skala obsolet. Demgegenüber ist beispielsweise bei hohem Wechsel im Personal der Einsatz der Braden - Skala eher angezeigt um eine Qualitätssicherung herbeizuführen.
Risikoskalen werden nach der Revision des Expertenstandards von 2010 nicht mehr explizit empfohlen. Es wird aber nicht von der Nutzung abgeraten, da die Skalen eine Einschätzungshilfe (zum Beispiel für noch unerfahrene Pflegefachkräfte) sein können.
Auch wenn mit einer Skala das Risiko eingeschätzt wird, kommt es viel mehr auf die klinische Einschätzung der Pflegefachkraft an. Und dies hält der Expertenstandard für Dekubitusprophylaxe in der Pflege ganz genau auch so fest.
Einschätzung mit der Braden - Skala - Fallbeispiel
Frau Irma Mobil, 87 Jahre, mit einem Dekubitus Grad 4 und einem insulinpflichtigen Diabetes. Sie wird zu Hause versorgt und ist absolut hilfsbedürftig. Zudem kommt eine Stuhl- und Urininkontinenz hinzu. Sie liegt den ganzen Tag auf dem Rücken. Wird morgens vom Pflegedienst gewaschen und bekommt ein Langzeitinsulin verabreicht. Die Wunde wird mit Kochsalzlösung getränkten Kompressen einmal täglich versorgt. Die Dame trägt eine Windelhose, welche erst abends vom Sohn gewechselt wird. Sie liegt dann oftmals von morgens bis abends im Nassen. Dazu kommt, dass der Stuhlgang bis in die Wunde läuft. Mittag- und Abendessen bringt eine Freundin aus dem Haus, da der Sohn, welcher mit im Haus wohnt, arbeiten geht. Ihr Appetit ist gut.
Wie würden Sie die Braden - Skala ausfüllen? Wieviele Punkte würden Sie vergeben?
Laden Sie sich hier gratis die Braden - Skala runter und füllen Sie diese aus:
Die Auflösung können Sie sich bald hier im nächsten Blogartikel ansehen....
Was tun nach der Einschätzung?
Nach der Einschätzung geht es daran, die entsprechenden Maßnahmen zu planen, zu dokumentieren und durchzuführen. Diese Maßnahmen überlappen sich mit anderen Risiken.
Um die Ziele zu erreichen, ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe nötig:
Tägliche Kontrolle der gesamten Haut
Hautreinigung stets mit adäquaten Mitteln (zum Beispiel mit pH-hautneutralen Pflegemitteln: nicht austrocknend und ohne Parfümzusätze)
Hautpflege bei trockener Haut mit Wasser-in-Öl-Emulsionen
Tragen atmungsaktiver und nicht-einschnürender Kleidung
Frühzeitiger Wechsel von Inkontinenzmaterialien
Ausgewogene Ernährung (möglichst abwechslungsreiche Kost und ausreichende
Versorgung mit Vitaminen und Nährstoffen, et cetera)
Ausreichende Flüssigkeitsversorgung (um die Austrocknung des Körpers zu verhindern)
Nahrungsergänzungsmittel Eiweiß
Führung von Flüssigkeits- und Ernährungsplänen
Anlegen eines Lagerungs- und Bewegungsplanes
Druckverteilende Unterlagen
Fazit
Eine erfolgreiche Dekubitusprophylaxe setzt eine hohe pflegefachliche Kompetenz voraus. Bedeutsam ist hier vor allem die pflegerische Erfassung des individuellen Dekubitusrisikos und die Beobachtung mobilitätseingeschränkter Personen. Senkrecht einwirkender Druck und/oder Scherkräfte, die parallel zur Haut wirken, müssen hier im Fokus stehen. Deshalb sind die Bewegungsförderung mit den Maßnahmen zur Druckentlastung und der Einsatz von Hilfsmitteln von entscheidender Bedeutung!
Schreiben Sie mir bitte unten in die Kommentare welche Erfahrungen Sie mit der Braden - Skala und Risikoassessments gemacht haben.
Hätten Sie die Braden - Skala anders ausgefüllt und wenn ja, wie?
Also nicht ärgern lassen und wir sehen uns im nächsten Blog mit der Auflösung.
Eure Schwester Eva
Das könnte Euch auch interessieren:
Literatur zum Nachlesen:
NPUAP/EPUAP/PPPIA National Pressure Ulcer Advisory Panel, European Pressure Ulcer Advisory Panel and Pan Pacific Pressure Injury Alliance. Prevention and Treatment of Pressure Ulcers: Quick Reference Guide. Emily Haesler (Ed.). Cambridge Media: Osborne Park, Australia; 2014
Bauernfeind, G.; Strupeit, Dekubitusprophylaxe und -behandlung: Praxisleitfaden zum Expertenstandard „Dekubitusprophylaxe in der Pflege“. Stuttgart: Kohlhammer -
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege. 1. Aktualisierung. Osnabrück
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