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AutorenbildSchwester Eva - Pflegeexpertin

Dekubitus - Pflegefehler - Bewegungsprotokolle: Ein Beispiel aus der Begutachtungspraxis

Aktualisiert: vor 7 Tagen



Anna, eine 76-jährige Patientin, wurde am 01.09.2015 in eine Klinik eingeliefert. Bereits bei der Aufnahme zeigte die Braden-Skala ein Dekubitusrisiko von 9 Punkten – ein klares Zeichen für ein sehr hohes Risiko. Solche Werte verlangen sofortige und regelmäßige Maßnahmen zur Druckentlastung, um die Entstehung von Dekubitus zu verhindern. Doch was folgte, war eine Verkettung von unzureichender Prophylaxe und falschen Pflegeentscheidungen, die zu schwerwiegenden Folgen führte.


Am 02.09.2015 wurde Anna um 15:00 Uhr in eine Rückenlagerung mit Oberkörperhochlagerung gebracht. Diese Positionierung blieb jedoch bis 20:00 Uhr unverändert, was einem Zeitraum von fünf Stunden entspricht. Dies widerspricht den pflegerischen Standards, die bei einem solch hohen Risiko weitaus kürzere Intervalle vorschreiben. Bereits am 03.09.2015 wurde erstmals im Pflegebericht ein Dekubitus vermerkt, ohne dass die Lokalisation genauer beschrieben wurde.


An den folgenden Tagen setzte sich das Fehlverhalten fort. Anna verbrachte am 03.09.2015 erneut vier Stunden sitzend an der Bettkante – trotz des zuvor dokumentierten Dekubitus. Am 04.09.2015 wurde im Pflegebericht vermerkt, dass die Haut im Gesäßbereich blutig und mazeriert war. Trotzdem wurde Anna wieder über Stunden in eine Rückenlage gebracht, was eine weitere Verschlechterung des Zustands nach sich zog.


Was in dieser Phase besonders kritisch zu bewerten ist, ist das Fehlen konsequenter Fersenfreilagerungen. Während des gesamten Aufenthaltszeitraums wurde diese Maßnahme, die zur Vermeidung von Druckstellen an den Fersen essentiell ist, nur einmal dokumentiert – am 11.09.2015. Dies führte zur Entstehung eines nekrotischen Dekubitus der rechten Ferse im Stadium III, der dazu noch erstmalig am 18.09.2015 dokumentiert wurde und damit ebenfalls deutlich zu spät dokumtiert wurde.


Die unzureichende Durchführung und Dokumentation von regelmäßigen Positionswechseln und Fersenfreilagerungen sowie die deutlich verspätet erstellte Wunddokumentation stellt eine schwerwiegende Verletzung der pflegerischen Standards dar. Beispielsweise gab es am 16.09.2015 und 17.09.2015 überhaupt keine Aufzeichnungen über Positionierungsmaßnahmen, obwohl Anna bereits unter Druckgeschwüren litt.


Was sagt der pflegerische Standard bzw. der Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege?


Ein solch gravierender Fall von nekrotischem Dekubitus könnte durch eine strikte Einhaltung der Dekubitusprophylaxe-Richtlinien vermieden werden. Regelmäßige Lagerungswechsel, unterstützt durch die rechtzeitige Verwendung von angemessenen Hilfsmitteln zur Druckentlastung, sind essenziell, um die Haut dauerhaft zu entlasten. Laut den aktuellen Standards sollte bei einem Dekubitusrisiko, wie es Anna aufwies, alle zwei Stunden bis 3 Stunden eine Lagerungsänderung bei fast maximalem Dekubitusrisiko erfolgen. Doch hier wurde diese Maßnahme mehrfach vernachlässigt, wodurch die Situation eskalierte.



Experteneinschätzung: Ein klarer Verstoß gegen pflegerische Standards


Dieser Fall zeigt klare Verstöße gegen die Richtlinien zur Dekubitusprophylaxe. Die unzureichende Lagerung und die langen Positionswechselintervalle stehen in direktem Zusammenhang mit der Entstehung und Verschlimmerung des Dekubitus, insbesondere über der Ferse. Aus den vorliegenden Dokumentationen ergibt sich, dass die Risikoabschätzung und die präventiven Maßnahmen nicht den Expertenstandards entsprachen. Sicherlich kann nicht immer die Entstehung einer Hautschädigung vermieden werden, aber ein nekrotischer Fersendekubitus im Stadium III mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon! Solche Komplikationen sind oft das Ergebnis unzureichender Pflegepraktiken und eines Mangels an präventiven Maßnahmen in Kombination mit einer völlig unzureichenden Dokumentation.


Pflege ist wie das Steuern eines Schiffes, das immer den sichersten Kurs nehmen muss. Die Protokolle sind wie unsere Seekarten – sie zeigen genau, wann und wie oft der Patient gelagert werden muss, um ihn vor Druckstellen und Verletzungen zu schützen. Wenn wir diese Karten ignorieren, ist das wie das Übersehen eines Riffs auf See: Der Patient ist dann gefährdet, und es kann, wie hier, zu einem Dekubitus kommen. Die Protokolle sind deshalb nicht nur Empfehlungen – sie sind unser sicherster Wegweiser, um den Patienten gesund ans Ziel zu bringen.


Es ist wichtig zu verstehen, dass in Fällen mit maximalem Dekubitusrisiko, wie hier ermittelt, die korrekte Durchführung von Positionswechseln und die Anwendung druckentlastender Hilfsmittel oberste Priorität haben. Es gab keine Hinweise in diesem Fall darauf, dass dringende medizinische Interventionen wie Katecholamingaben oder atementlastende Maßnahmen diesen Pflegemaßnahmen im Weg standen.


Was Pflegekräfte daraus lernen können:


  1. Risikoeinschätzung und -dokumentation: Nutze standardisierte Instrumente wie die Braden-Skala konsequent und dokumentiere sie lückenlos, um das Dekubitusrisiko frühzeitig zu erkennen.


  2. Regelmäßige Positionswechsel: Bei einem maximalen Risiko sollten Positionswechsel alle zwei Stunden erfolgen. Achte auf eine genaue Dokumentation dieser Maßnahmen.


  3. Druckentlastung: Druckentlastende Hilfsmittel, insbesondere Fersenfreilagerungen, müssen bei Hochrisikopatienten regelmäßig angewendet und dokumentiert werden.


  4. Prävention als Priorität: In der Intensivpflege haben lebenserhaltende Maßnahmen zwar Vorrang, doch darf die Dekubitusprophylaxe bei immobiler Patienten nie vernachlässigt werden, wenn es keine medizinischen Kontraindikationen gibt.


Fazit: Gemeinsam für eine bessere Pflege


Die Prävention von Druckgeschwüren ist eine Aufgabe, die uns alle angeht – Pflegekräfte, Angehörige und Entscheidungsträger im Gesundheitswesen. Durch das richtige Verständnis von Risikofaktoren und die konsequente Anwendung von Positionierungsintervallen sowie die rechtzeitige Nutzung druckentlastender Hilfsmittel können wir entscheidend zur Vermeidung von Hautschädigungen beitragen.


Es ist wichtig, die dokumentierten Pflegepraktiken stets zu überprüfen und anzupassen, um die bestmögliche Versorgung für unsere Patienten zu gewährleisten. Erinnern wir uns daran, dass jede kleine Maßnahme, sei es eine einfache Umlagerung oder die regelmäßige Kontrolle der Hautintegrität, einen großen Unterschied im Leben unserer Patienten machen kann.


Ich lade Sie ein, aktiv zu werden!


Teilen Sie diesen Artikel mit Ihren Kollegen, um das Bewusstsein für die Prävention von Druckgeschwüren zu schärfen.



Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass unsere Patienten die bestmögliche Versorgung erhalten.


GLG und bleibt gesund und munter


Eure Schwester Eva


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